Bei einem Workshop suchten Juden und Muslime nach theologischen Gemeinsamkeiten beider Religionen.
Die Synagoge am Fraenkelufer liegt am Berliner Landwehrkanal, direkt an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln – zwei Stadtteilen, die man wohl ohne zu zögern jenen »Problemvierteln« zuordnen könnte, die Zentralratspräsident Josef Schuster meinte, als er Juden empfahl, dort besser keine Kippa zu tragen.
Armin Langer lebt in Neukölln. Er widerspricht dieser Empfehlung. Denn er findet, dass sie Menschen, die seine Nachbarn sind, pauschal stigmatisiert. Seine Alltagserfahrungen seien durchweg positiv. Vor knapp anderthalb Jahren gründete der junge Rabbinerstudent daher, zusammen mit anderen Neuköllner Juden und Muslimen, die interkulturelle Initiative »Salam–Schalom«.
Miteinander In einer Vielzahl von Projekten setzen sich Langer und seine Mitstreiter für ein gemeinschaftliches Verständnis der beiden Kulturen ein. Sie wollen betonen, dass zwischen Juden und Muslimen kein natürlicher Gegensatz besteht, sondern ein Miteinander bereits im Berliner Alltagsleben Realität ist.
Eines dieser Projekte ist die Workshop-Reihe »Wie koscher sind Muslime? Wie halal sind Juden?«, die Ende Mai in der Kreuzberger Synagoge am Fraenkelufer stattfand, und das bereits zum zweiten Mal. Unterstützung bekam Salam–Schalom dabei vom Verein Freunde des Fraenkelufers (FdF), der sich für ein buntes und lebendiges Gemeindeleben in der Synagoge engagiert und auch den Kontakt zu den muslimischen Organisatoren in der Nachbarschaft sucht.
»Was könnte für eine solche Veranstaltung wie heute naheliegender sein als eine Synagoge, die in Kreuzberg liegt und fünf Minuten von Neukölln entfernt ist? Insofern haben wir natürlich sofort Ja gesagt«, begründet Vereinsmitgründerin Nina Perez ihr Engagement.
Rolle Die Veranstaltungsreihe diskutiert die Rolle beider Religionen in der Heiligen Schrift des jeweils anderen. Nachdem beim ersten Treffen im vergangenen November in der Sehitlik-Moschee die Rolle der Juden im Koran untersucht wurde, ging es dieses Mal um die Frage, ob ein gläubiger Jude auch das Wort »Allah«, das im Arabischen für Gott steht, benutzen darf, wenn er über den Ewigen spricht.
»Wir wollen darauf hinweisen, dass die Beziehungen zwischen unseren Traditionen sowieso schon existieren, wir nur durch unsere Umwelt heute etwas anderes vermittelt bekommen«, erklärt Salam–Schalom-Gründer Langer. Er wies explizit darauf hin, dass es sich nicht um einen interreligiösen Austausch handelt, sondern um eine »innerreligiöse Diskussionsrunde, die offen für alle ist«.
Austausch Das Konzept schien aufzugehen: Neben den überwiegend jüdischen Teilnehmern waren auch einige muslimische Interessierte in den dicht gefüllten Kidduschraum der Synagoge gekommen. Während einige Teilnehmer schon tief in eine theologische Diskussion darüber verstrickt waren, ob der Talmud die Benennung Gottes in nicht-hebräischen Sprachen überhaupt erlaubt, ging es bei anderen noch um grundsätzliche Verständnisfragen: »Wer spricht eigentlich aus dem Talmud zu uns?«, fragte sich etwa Ibrahim.
Der junge Österreicher ist erst vor knapp einem halben Jahr nach Berlin gezogen und war an diesem Abend zum ersten Mal überhaupt in einer Synagoge. »Ich lebe zwar im Brunnenviertel im Wedding und weiß, dass es dort auch einige Juden gibt, aber der einzige Kontakt, den ich bisher mit Juden hatte, ist der koschere Supermarkt in der Brunnenstraße«, freute sich Ibrahim über die Möglichkeit des Austausches.
Ähnlichkeiten Eine Antwort auf die Frage, ob die rabbinischen Schriften eine Benennung Gottes durch den Begriff »Allah« zulassen, fand sich schließlich in den Speisevorschriften: Ein koscher geschlachtetes Tier wird auch nicht unrein, wenn es nach der Schlachtung mit der Formel »Allahu Akbar« für den Halal-Verzehr vorbereitet wird. Wiederum wies Armin Langer auf die Ähnlichkeiten beider Religionen in diesem Punkt hin. »Viele Juden, die sagen, sie wollen kein ganz unkoscheres Fleisch essen, gehen dann eben zu einem türkischen Supermarkt hier um die Ecke.«
FdF-Mitglied Dekel Perez konnte das mit einer scherzhaften Anekdote aus seinem Neuköllner Alltag bestätigen: »Mein Freund Seth sagt immer: ›Halal ist deutsch für koscher!‹«
Quelle: Jakob Mühle – Jüdische Allgemeine, www.juedische-allgemeine.de // Beitragsbild: eustatiub – freeimages.com